MYSTIK
&
MYSTERIÖS
TRAUM-TRIBULATIONEN
Rundum liegt die Nacht,
ein schlummernder Schleier,
wo Raum und Zeit versiegen -
bis sie aus ihrer Felsenhöhle funzeln,
Morpheus, Phobetor, Phantasos,
und dich durch ein Gestrüpp
von Wirrwarr und Wirrnis scheuchen
du triffst nie den richigen ton auf der oboe, schwebst
aber über unzählige treppenstufen, splitternackt
auf die pariser champs-élysées / klemmst im labyrinth
der hinterhöfe, ohne wlan-verbindung, nur mit
dieser oboe / drehst deine ewigen kreise zwischen
den groupie-girls, sie als fibonacci-zahlenreihe, du
splitternackt / du, der graffitisprayer in den slums von rio,
ohne wlan-verbindung, ohne schlupfloch im zaun /
doch das spalier wird enger, die stufen steiler und
glitschiger, die oboe-töne barscher greller beißender ---
Rundum liegt die Nacht,
außer Atem, in Chaos und Scherben.
Wie im Taumel versuchst du noch
den Blick auf die Champs-Elysées zu greifen,
noch schnell das letzte Graffiti zu retten,
dich an die Schatten der Groupies zu klammern –
Aber Morpheus, Phobetor, Phantasos
sind schon längst mit der Blackbox entschwunden
KLOSTER-EXERZITIEN
Aller Welt und Zeit entrückt,
Versunken
In schweigender Stille.
Nur eine Holzdiele knarzt
Irgendwo,
Knarzt
Ergeben hin zum Kruzifix.
SPIEGELSCHERBEN BEI VOLLMOND
Buckliger,
begegnete man dir zum ersten Hahnenschrei,
so säe die Bohnen in ungerader Zahl,
noch ehe dem Meineidigen eine Warze wächst
oder der Wind ausgekämmte Haare verweht.
Kehricht,
trug man dich noch spätabends vors Haus,
so kreuze die Finger dem Mistelzweig zu,
dass Elster und Kauz nicht vom Dache schreien
beim Hufschlag der Pferde vor Mitternacht.
Regenbogen,
verfluchte man dreimal den Teufel unter dir,
so drehe dem Toten das Gesicht gegen Tag,
damit keine Flamme den Drudenfuß blende
und er zu Walpurgis die bösen Geister übersieht ...
DAS QUARTETT
(Tanka)
Aus dunklen Mächten
Erde, Feuer, Wasser, Luft
So hell geboren
Naturgeister schöpfen uns
Vierstimmige Harmonie
AVE MARIA
(von Bach/Gounod – 1852)
AVE MARIA
GRATIA PLENA
DOMINUS TECUM
durch gebrochenes arpeggio*
schimmert es
so seidenfädelnd dolce kristallin
BENEDICTA TU IN MULIERIBUS
ET BENEDICTUS
FRUCTUS VENTRIS TUI IESUS
traut sich
wie auf samt
zu immer festeren konturen
konturen mit inbrunst
anflehendem elan
SANCTA MARIA
ORA PRO NOBIS PECCATORIBUS
und jedes gewölbe erzittert
reißt auf
vor diesem kathedralisch wallenden
diesem glühend schallenden
diesem heilig hallenden
NUNC ET IN HORA MORTIS NOSTRAE
damit es nach oben entschwinde
den neuen sonnenaufgang zu erleben -
so seidenfädelnd
dolce kristallin
im demutsvollen arpeggiando*
AMEN
und ein letzter tropfen kerzenwachs
rinnt
aus dem orgelschlussakkord
* (arpa, ital. für: Harfe / arpeggio, arpeggiando: harfenartig)
IN SYNÄSTHESIA
Wenn Violine-Bogen streichen und du Mango schmeckst
Wenn die Stunden sich vor dir wie Spiralen entrollen
Jedes O in Maya-Blau, das U jedoch in Grün -
Wanderer,
Dann kommst du nach Synästhesia!
Wenn es hinter der 14 steil abwärts geht
Du aber den Mittwoch als Hexagon siehst
Wenn Quergestreiftes dich als Aquaphobie überfällt -
Wanderer,
Dann kommst du nach Synästhesia!
Wenn sich der Ortsname zart flauschig anfühlt
Wenn er als Chopin-Klavierkonzert klingt
Wenn er nach Hagebutte und Bärlauch duftet -
Ja, Wanderer, dann,
Dann bist du am Ziel!
DER EINE SCHRITT ZU VIEL
mit edelstem goldüberzug – die 10!
GÖTTLICHE ORDNUNG
mit jahwe und seinen geboten
den zehn ehrfurchtsvollen tagen
hin zum jom kippur
mit edelstem goldüberzug – die 12!
KOSMISCHE VOLLKOMMENHEIT
mit ihren monaten
ihren sternzeichen
den Stunden des ziffernblattes,
so wie sie erklingt
in den zwölf halbtönen der oktave
zum MENETEKEL aber schon - die 11!
die göttliche ordnung rest eins
ein vabanque-spiel
gütigerweise nur zum narren verspöttelt
höchstens zur zahl der sünde ermahnt
doch dann die CALAMITAS – die 13!
die vollkommene harmonie
hast du überschritten, triskeideka,
sie zum dutzend des teufels ausgereizt
zur unterwelt und ihren bösen geistern ...
hier war das dünne eis
dann doch wohl zu dünn
IM TEMPEL VON DELPHI
In Wassermann Krebs oder Jungfrau geboren -
Divination beschwört Kräfte
Rüttelt sie wach,
Die vernarbten Energien aus dem Unterbewusstsein,
Die sich da bündeln
In Bergkristall/Mondstein/Rosenquarz-Pendeln
Sich der Fügung hörig erweisen
In Tarot-Karten nach Feuer&Wasser&Luft&Erde
Sich da schlängeln
In Lebensringen in Schicksalslinien
Als Botschaft aus eigener Hand
Divination beschwört Kräfte
Das Noch-Ungewisse zu entschleiern,
Das Morgen zu entjungfern,
Als säße die Zukunft höchstselbst
Vor der Pythia, der priesterlichen, hier
Um das Orakel zu befragen
Wer eben was
Wann und wohin
GÖTTERDÄMMERUNG
abendwolkenumhangener Olymp
felsenzerklüftet
wo Zeus, die Allmacht, zwischen Blitz und Donner
auch die Eifersucht der Hera bezwingt,
dieser unter einem Keuschbaum geborenen
wo Hestia am Herd die Familieneintracht bewahrt
und Hephaistos das Feuer
mit Schmiedehammer und Amboss
wo Poseidon von Quellen und Flüssen auszieht,
sein Dreizack die Seeleute über gefährliche Meere geleitet
wo mit goldenem Ährenkranz
Demeter zur Fruchtbarkeit die Jahreszeiten wechseln lässt
abendwolkenumhangener Olymp
felsenzerklüftet
schicksal- und sagenumwoben
wo unter der weisen Athena Olivenbaum
Apollo die neun Musen mit seiner Lyra beschwört
wo Artemis in mondheller Nacht wilde Tiere zähmt,
jungfräulich und keinem Manne untertan
wo Ares Fackel und Speer durch blutige Kämpfe schwingt -
doch Aphrodite eher mit Reizen bezaubert,
dem Menschen die Leidenschaft zum Geschenk
wo Hermes, listiger Händler und beflügelter Bote,
auch morgen wieder
die Seelen der Verstorbenen in die Unterwelt führt
abendwolkenumhangener Olymp
felsenzerklüftet
schicksal- und sagenumwobene
GötterNacht
HINTER DER NACHT
... dort wo die Dunkelheit
Uns stranden ließ
Ins grelle Helle
Dich und mich
Wir beide, die der Welt ausgebüxt waren
In berauschter Liebes-Euphorie
Hinter der Nacht
Dort wo die Dunkelheit
Sich dann wieder abzog
So heimtückisch
In ihr dunkles Verlies
Und wir da standen
So allein so verblendet
Und den Rückweg nicht mehr fanden
Dort hinter der Nacht
Wohin wir nur ausgebüxt
Erschloss sich die Skyline
Unseres neuen Lebens
TÄNZE IM KAMINFEUER
Gleich einem dämonischen Ritual
Wie das Holz knistert
Knarzt
Wie es erzählt
Von Circen und Sirenen
Von Nymphen und der Venus Taube
Gleich einem dämonischem Ritual
Wie die Flammen lodern
Fachen
Wie Circen und Sirenen
Dich umgarnen
Dich beschwören
Dich behexen
Bis jeder Tanz im Nirwana erlischt
SONNE, DU NACHTEULE !
ganz dahinten sei der westen wurde
uns erklärt dahinten wo sie untergeht die
sonne müdigkeit schlappe erschöpfung nur
vortäuschend treibt sie sich doch mit anderen
gestirnen jetzt in nightlife-kaschemmen herum
verlustiert sich mit den geistern der nacht bis
zum frühen morgen wird incognito dann zur
hintertür hinausgefegt und der welt erklärt man
streng nach sitte pharisäerhaft das sei der osten
DER RABE, DER SCHWARZE
Der Rabe, der schwarze
Er ächzt
Er krächzt
Dreht seine Kreise
Bedrohlich durch die Lüfte
Der Rabe, der schwarze
Zeigt dem Mann mit der Sense
Der scharfen
Der unentrinnbaren
Den Weg zum Weizenfeld
Wo die letzten Ähren
Den Böen zu trotzen versuchen
Bote des Elysischen
Oder Lakai des Satans?