MYSTIK

&

MYSTERIÖS

 

TRAUM-TRIBULATIONEN

 

Rundum liegt die Nacht,

ein schlummernder Schleier,

wo Raum und Zeit versiegen -

bis sie aus ihrer Felsenhöhle funzeln,

Morpheus, Phobetor, Phantasos,

und dich durch ein Gestrüpp

von Wirrwarr und Wirrnis scheuchen

 

du triffst nie den richigen ton auf der oboe, schwebst

aber über unzählige treppenstufen, splitternackt

auf die pariser champs-élysées / klemmst im labyrinth

der hinterhöfe, ohne wlan-verbindung, nur mit

dieser oboe / drehst deine ewigen kreise zwischen

den groupie-girls, sie als fibonacci-zahlenreihe, du

splitternackt / du, der graffitisprayer in den slums von rio,

ohne wlan-verbindung, ohne schlupfloch im zaun /

doch das spalier wird enger, die stufen steiler und

glitschiger, die oboe-töne barscher greller beißender ---

 

Rundum liegt die Nacht,

außer Atem, in Chaos und Scherben.

Wie im Taumel versuchst du noch

den Blick auf die Champs-Elysées zu greifen,

noch schnell das letzte Graffiti zu retten,

dich an die Schatten der Groupies zu klammern –

 

Aber Morpheus, Phobetor, Phantasos

sind schon längst mit der Blackbox entschwunden 

 

(September 2018)

 

KLOSTER-EXERZITIEN

 

Aller Welt und Zeit entrückt,

Versunken

In schweigender Stille.

 

Nur eine Holzdiele knarzt

Irgendwo,

Knarzt

Ergeben hin zum Kruzifix.

 

 (Juli 2015)



SPIEGELSCHERBEN BEI VOLLMOND

 

Buckliger,

begegnete man dir zum ersten Hahnenschrei,

so säe die Bohnen in ungerader Zahl,

noch ehe dem Meineidigen eine Warze wächst

oder der Wind ausgekämmte Haare verweht.

 

Kehricht,

trug man dich noch spätabends vors Haus,

so kreuze die Finger dem Mistelzweig zu,

dass Elster und Kauz nicht vom Dache schreien

beim Hufschlag der Pferde vor Mitternacht.

 

Regenbogen,

verfluchte man dreimal den Teufel unter dir,

so drehe dem Toten das Gesicht gegen Tag,

damit keine Flamme den Drudenfuß blende 

und er zu Walpurgis die bösen Geister übersieht ...

(Mai 2015)

 

DAS QUARTETT

(Tanka)

 

Aus dunklen Mächten

Erde, Feuer, Wasser, Luft

So hell geboren

 

Naturgeister schöpfen uns

   Vierstimmige Harmonie    

 

 

(Februar 2015)


 

AVE MARIA

(von Bach/Gounod – 1852)

 

AVE MARIA

GRATIA PLENA

DOMINUS TECUM

 

durch gebrochenes arpeggio*

schimmert es

so seidenfädelnd dolce kristallin

 

BENEDICTA TU IN MULIERIBUS

ET BENEDICTUS

FRUCTUS VENTRIS TUI IESUS

 

traut sich

wie auf samt

zu immer festeren konturen

konturen mit inbrunst

anflehendem elan

 

SANCTA MARIA

ORA PRO NOBIS PECCATORIBUS

 

und jedes gewölbe erzittert

reißt auf

vor diesem kathedralisch wallenden

diesem glühend schallenden

diesem heilig hallenden

 

NUNC ET IN HORA MORTIS NOSTRAE

 

damit es nach oben entschwinde

den neuen sonnenaufgang zu erleben -

so seidenfädelnd

dolce kristallin

im demutsvollen arpeggiando*

 

AMEN

 

und ein letzter tropfen kerzenwachs

rinnt

aus dem orgelschlussakkord

 


 

       * (arpa, ital. für: Harfe / arpeggio, arpeggiando: harfenartig)


(September 2014)


 

IN SYNÄSTHESIA

  

Wenn Violine-Bogen streichen und du Mango schmeckst

Wenn die Stunden sich vor dir wie Spiralen entrollen

Jedes O in Maya-Blau, das U jedoch in Grün -

Wanderer,

Dann kommst du nach Synästhesia!

 

Wenn es hinter der 14 steil abwärts geht

Du aber den Mittwoch als Hexagon siehst

Wenn Quergestreiftes dich als Aquaphobie überfällt -

Wanderer,

Dann kommst du nach Synästhesia!

 

Wenn sich der Ortsname zart flauschig anfühlt

Wenn er als Chopin-Klavierkonzert klingt

Wenn er nach Hagebutte und Bärlauch duftet -

Ja, Wanderer, dann,

Dann bist du am Ziel!

 

(August 2014)

 

 

DER EINE SCHRITT ZU VIEL

  

mit edelstem goldüberzug – die 10!

GÖTTLICHE ORDNUNG

mit jahwe und seinen geboten

den zehn ehrfurchtsvollen tagen

hin zum jom kippur

 

mit edelstem goldüberzug – die 12!

KOSMISCHE VOLLKOMMENHEIT

mit ihren monaten

ihren sternzeichen

den Stunden des ziffernblattes,

so wie sie erklingt

in den zwölf halbtönen der oktave

 

zum MENETEKEL aber schon - die 11!

die göttliche ordnung rest eins

ein vabanque-spiel

gütigerweise nur zum narren verspöttelt

höchstens zur zahl der sünde ermahnt

 

doch dann die CALAMITAS – die 13!

die vollkommene harmonie

hast du überschritten, triskeideka,

sie zum dutzend des teufels ausgereizt

zur unterwelt und ihren bösen geistern ...

 

hier war das dünne eis

dann doch wohl zu dünn 

 

(Juli 2014) 

 


IM TEMPEL VON DELPHI

  

In Wassermann Krebs oder Jungfrau geboren -

Divination beschwört Kräfte

Rüttelt sie wach,

Die vernarbten Energien aus dem Unterbewusstsein,

Die sich da bündeln

In Bergkristall/Mondstein/Rosenquarz-Pendeln

Sich der Fügung hörig erweisen

In Tarot-Karten nach Feuer&Wasser&Luft&Erde

Sich da schlängeln

In Lebensringen in Schicksalslinien

Als Botschaft aus eigener Hand

 

Divination beschwört Kräfte

Das Noch-Ungewisse zu entschleiern,

Das Morgen zu entjungfern,

Als säße die Zukunft höchstselbst

Vor der Pythia, der priesterlichen, hier

Um das Orakel zu befragen

Wer  eben was

Wann und wohin

 

(Februar 2014)

 

 

GÖTTERDÄMMERUNG

 

abendwolkenumhangener Olymp

felsenzerklüftet

 

wo Zeus, die Allmacht, zwischen Blitz und Donner

auch die Eifersucht der Hera bezwingt,

dieser unter einem Keuschbaum geborenen

 

wo Hestia am Herd die Familieneintracht bewahrt

und Hephaistos das Feuer

mit Schmiedehammer und Amboss

 

wo Poseidon von Quellen und Flüssen auszieht,

sein Dreizack die Seeleute über gefährliche Meere geleitet

wo mit goldenem Ährenkranz

Demeter zur Fruchtbarkeit die Jahreszeiten wechseln lässt

 

abendwolkenumhangener Olymp

felsenzerklüftet

schicksal- und sagenumwoben

 

wo unter der weisen Athena Olivenbaum 

Apollo die neun Musen mit seiner Lyra  beschwört

 

wo Artemis in mondheller Nacht wilde Tiere zähmt,

jungfräulich und keinem Manne untertan

 

wo Ares Fackel und Speer durch blutige Kämpfe schwingt -

doch Aphrodite eher mit Reizen bezaubert,

dem Menschen die Leidenschaft zum Geschenk

 

wo Hermes, listiger Händler und beflügelter Bote,

auch morgen wieder

die Seelen der Verstorbenen in die Unterwelt führt

 

               abendwolkenumhangener Olymp

felsenzerklüftet

schicksal- und sagenumwobene

GötterNacht

 

 

(Januar 2014)

 

HINTER DER NACHT

  

... dort wo die Dunkelheit

Uns stranden ließ

Ins grelle Helle

Dich und mich

Wir beide, die der Welt ausgebüxt waren

In berauschter Liebes-Euphorie

 

Hinter der Nacht

Dort wo die Dunkelheit

Sich dann wieder abzog

So heimtückisch

In ihr dunkles Verlies

Und wir da standen

So allein so verblendet

Und den Rückweg nicht mehr fanden

 

Dort hinter der Nacht

Wohin wir nur ausgebüxt

Erschloss sich die Skyline

Unseres neuen Lebens

 

 

(Dezember 2013)

 

TÄNZE IM KAMINFEUER

 

Gleich einem dämonischen Ritual

Wie das Holz knistert

Knarzt

Wie es erzählt

Von Circen und Sirenen

Von Nymphen und der Venus Taube

 

Gleich einem dämonischem Ritual

Wie die Flammen lodern

Fachen

Wie Circen und Sirenen

Dich umgarnen

Dich beschwören

Dich behexen

Bis jeder Tanz im Nirwana erlischt

 

(November 2013)


SONNE, DU NACHTEULE !



ganz dahinten sei der westen wurde

uns erklärt dahinten wo sie untergeht die

sonne müdigkeit schlappe erschöpfung nur

 

vortäuschend treibt sie sich doch mit anderen

gestirnen jetzt in nightlife-kaschemmen herum

verlustiert sich mit den geistern der nacht bis

 

zum frühen morgen wird incognito dann zur

hintertür hinausgefegt und der welt erklärt man

streng nach sitte pharisäerhaft das sei der osten

 

(November 2013)

 

DER RABE, DER SCHWARZE

 

Der Rabe, der schwarze

Er ächzt

Er krächzt

Dreht seine Kreise

Bedrohlich durch die Lüfte

 

Der Rabe, der schwarze

Zeigt dem Mann mit der Sense

Der scharfen

Der unentrinnbaren

Den Weg zum Weizenfeld

Wo die letzten Ähren

Den Böen zu trotzen versuchen

 

Bote des Elysischen

Oder Lakai des Satans?


(Oktober 2013)